Sprache und Kunst
Ein Projekt für Menschen mit Demenz
rund um eine Installation der land art im Hermann Löns-Park Hannover
mit freundlicher Unterstützung des Grünflächenamtes Hannover
und der Stiftung Edelhof Ricklingen
Zeitraum: Herbst 2020 bis Herbst 2022
Die Akteure:
Sabine Birck, Germanistin M.A.,
ist die Initiatorin des Projekts und Stifterin der land art Installation im Hermann Löns-Park Hannover.
Wolfgang Buntrock, ursprünglich Landschaftsarchitekt
ist seit 26 Jahren als Künstler tätig. Er hat bereits zahlreiche Projekte in Deutschland und anderen
europäischen Ländern realisiert. In seiner künstlerischen Arbeit studiert er den Ort: Formen, Materialien,
Funktion, Stimmung und entwickelt aus dem Dialog zwischen diesen Gegebenheiten und seinen Ideen
ein Kunstwerk.
Dorothee Birck von Bistram, Mutter von Sabine Birck,
war Querflötistin und Lehrerin für Musik und Geschichte. Sie war im hohen Alter dement und lebte seit Anfang 2019
in einem Pflegeheim in Hannover. Im März 2021 ist sie gestorben. Sie bleibt aber die "heimliche Seele" des Projekts.
Menschen mit Demenz und ihnen Nahestehende
Betreuer*innen,
die mit ihnen arbeiten, spielen oder musizieren.
Nähere Informationen zur Durchführung finden Sie unter
Aktuelles 2020-2022.
Möchten Sie mehr über diese Arbeit wissen?
Gern können Sie sich telefonisch oder per mail an mich wenden:
Sabine Birck
0201 423671 oder mobil: 0151 15709047
sa-birck@t-online.de
Wer sich für die Arbeit von Wolfgang Buntrock interessiert, findet hier Näheres:
www.landart.de
e mail: wolfgangbuntrock@htp-tel.de
Der Anlass - "Zeit der Schwere"
Die Zeit des Besuchsverbots und der noch andauernden Beschränkungen in Pflegeheimen hat für Heimbewohner
mit Demenz schwere seelische Belastungen gebracht. Sie wurden radikal abgesondert von den nahestehenden
Menschen und konnten nicht verstehen, warum; sie konnten sich nicht selbst gut zureden und viele können mit
elektronischen Kommunikationsmitteln nicht mehr umgehen. Sie waren der Trennung einfach nur ausgeliefert.
Glücklich, wer in dieser Zeit eine Freundin oder einen Freund fand. Für viele Angehörige war es eine
große Belastung,Mutter oder Vater dieser Situation ausgesetzt zu wissen und ohnmächtig zuschauen
zu müssen. Eine von diesen Heimbewohnerinnen ist meine Mutter, 94 Jahre alt. Als ich ihr von meiner Projektidee
erzähle, schaut sie mich begeistert an und ermuntert mich:
"Ich bin ganz voller Schubs, dass du sowas machst... das hat nichts Schweres..."
und nach einer kleinen Pause:
"Da hab' ich nämlich viel dran geschluckt, an der Schwere!"
"Ja, sage ich "das habe ich auch!"
Ein Ausweg - Raus aus der Schwere, voller "Schubs"
Wieder fröhlich werden, in der Natur sein, kreativ werden gehört werden - das ist ein Ausweg.
So ist meine Idee entstanden: Ein Kunstwerk an einem Ort schaffen, das etwas vom Wesen der Demenz
in sich hat, das in seiner Schönheit seltsam ist, ein Fremdkörper an seinem Ort und zugleich
von großer ästhetischer Faszination - so wie die Sprache dementer Menschen fremd ist für ihre
Umgebung und sie doch in Bann ziehen kann. Das kann die Land Art. Man möchte dann verweilen und
versuchen, in Worte zu fassen, was sich im Inneren abspielt. Hier, zwischen Licht und Schatten,
soll der Ausgangspunkt liegen für unsere gemeinsame Arbeit. Und wenn dann noch Musik dazukommt - umso schöner!
Sprache - "ein Teil des Echos"
Manchmal fasziniert die poetische Erfindungskraft oder die Präzision eines Bildes verblüfft den Zuhörer.
Als ich den Arm ihrer Puppe winken lasse, betrachtet meine Mutter sie aufmerksam und sagt: "Ich weiß nicht,
was da fehlt. Ich glaube, es ist ein Teil des Echos." Eine verbreitete Annahme ist, die Sprache bewege
sich in der Demenz zwangsläufig in Richtung Verstummen. Doch das ist eine sich selbst erfüllende Prophezeihung:
Je mehr man sprachliche Fähigkeiten brachliegen lässt, desto rascher verfallen sie. In der Alltagskommunikation,
besonders in unserem zeitlich eng getakteten Pflegesystem, ist Verstehen gleichbedeutend mit rascher Auffassung
des Gesagten. Gemessen daran spricht ein dementer Mensch unverständlich. So fehlt ein Teil des Echos
und alle tragen bei zum Weg in die Sprachlosigkeit, deren böse Kumpanin die Aggression ist.
Sprache finden und gestalten -
Da kommen solche Sachen wieder und alle Sachen haben Lieder
Das Bedürfnis, verstanden zu werden und Resonanz zu finden, ist auch bei dementen Menschen groß.
Der Weg der Sprachgestaltung führt noch weiter: Das Gesagte wird festgehalten, Rythmus und Melodie
werden zum Klingen gebracht und wenn es auf dem Papier steht, kann es als Ausgangsmaterial für weitere
Gestaltung dienen, gleich ob Verse oder Prosa. Ein Netz des Sinns festigt sich, auf dessen Fäden es
weiter vorangehen kann. Ich, das zuhörende und Resonanz gebende Gegenüber, treibe den Prozess voran.
Die Ausführung
Wir arbeiten in kleinen Gruppen von 4-6 Teilnehmer*innen. Bei gutem Wetter treffen wir
uns bei der Installation im Hermann Lönspark und sammeln dort Ideen. Es entstehen Tonaufnahmen
und Textskizzen. Das wird unser Material für die weitere Arbeit, die wir in der jeweiligen Einrichtung
oder im Park fortsetzen. Fotos dienen neben den Aufzeichnungen als Gedächtnisstützen und Anregung.
Wenn die Texte fertig und in Form gebracht sind, soll es eine öffentliche Präsentation mit Lesung und Musik
bei der Installation im Park geben.